Venedig die Zweite

Montag, den 11.09., Fahrt mit dem Vaporetto zum Arsenal, was in der Regel ein Hafen für militärische Zwecke mit angegliederter Werft ist. Das Wort kommt aus dem arabischen, heißt dort: Darsina und bedeutet dasselbe. Yachthäfen mit angegliederter Werkstatt nennen sich auch gerne Darsena.

Das venezianische Arsenal bildete die Basis für den Reichtum und die militärische Stärke und Macht der Stadt, indem mit höchst modernen Methoden und größter,  Effizienz Schiffe schnell und in großer Zahl gebaut wurden, um dann das Banner des goldenen Löwen durch das ganze Mittelmeer zu fahren.

Auch in Deutschland hat die Marine ihre Arsenale, wobei ich meinte gewisse Ähnlichkeiten zwischen dem von Venedig und dem von Wilhelmshaven entdeckt zu haben. . Das eigentliche Arsenal kann nur von Befugten betreten werden. Ein paar verstohlene Blicke sind erlaubt. Vom angegliederten Marinemuseeum ist nur ein Teil geöffnet, da man renoviert.

Von den ausgestellten, etwas wild zusammengewürfelten, Schiffen, will ich von zweien näher berichten. Eine noch schwärzer wirkende Gondel, als die Gewöhnlichen, wurde 1870 gebaut, um Särge zur Bestattung auf die vorgelagerte Friedhofsinsel zu gondeln und hat wahrscheinlich auch in dem Klassiker-Film: „wenn die Gondeln Trauer tragen“ mitgespielt.

Ein weiteres Schiffsexponat war eins der ersten Taucherschiffe, von dem aus die Helmtaucher ihre gefährliche Arbeit verrichteten. Außer dem handbetriebenen Kompressor für die Luftzufuhr und einem stabilen Spill zum Hieven von Lasten gab es praktisch nichts auf dem sonst sehr stabilen Schiff.

Bei der anschließenden Suche nach dem Dogenpalast ließ uns das Gassenlabyrinth zweimal im Kreis herumlaufen. Hinweisschilder sind rar gesäht. Der hohe Wasserpegel faszinierte und ließ die Seemannsweisheit von der Handbreit Wasser unter Kiel, bzw. Bier im Glase pervertieren in Handbreit Bürgersteig überm Kanalwasserpegel.

Am Dogenpalast endlich angekommen, machte der nach etwaigen mitgebrachten Waffen suchende Sicherheitsbeamte mit seiner elektronischen Wünschelrute eine typische Armbewegung, die auch zum Fliegenfangen geeignet gewesen wäre. Doch dann der Palazzo…

Man hat ja schon so Einiges gesehen. Aber dieser Prunk, nicht für ein Land, sondern einzig für eine Stadt, mitten im Sumpf, ist unglaublich.

               

Tapfer hat sie sich über Jahrhunderte gegen die Türken verteidigt und deren Vormarsch vereitelt, wo wir Deutschen dabei doch vergleichsweise alt aussehen.

Napoleon hat die Stadt später kurzerhand erobert und die besten Kunstschätze mitgehen lassen. Die entstandenen Lücken wurden mit Kopien gefüllt. Wahrscheinlich hätten die Italiener  keinen Duce als Nachfolger für die Dogen akzeptieren dürfen, um die Originale zurückzubekommen. Klimatisch dürften sie allerdings im Louvre besser aufgehoben sein.

Im Dogenpalast war es ziemlich stickig; dennoch waren wir froh, drinnen zu sein. Denn draussen auf dem Markusplatz wateten die Leute in wadentiefem Hochwasser. Die Wasserscheuen erwarben verstärkte Plastiktüten mit Gummistiefeldesign für 15€ das Paar.

Nach etwas Shopping sahen wir zu, vor dem Nachtbetrieb noch das richtige Vaporetto zu ergattern, nahmen auf der Marinabar noch en passant einen Espresso, dann ging’s auf’s Boot.

Heute am Dienstag war die Glasbläserinsel Merano dran, wieder mit dem Vaporetto.

Das angesagte Gewitter erwischte uns beim Rundgang direkt vor einem Restaurant. Hunger hatten wir, also wurde bei Spagetti abgewettert. Später besuchten wir eine Glasbläserei, die sich in einer ehemaligen Kirche etabliert hat. Sonst blasen da die Engel,

jetzt echte Künstler. Wir kauften eine bunte Glaskugel, in der Hoffnung, daß diese den Weg nach Hause übersteht.

Von Murano aus ging es zum venezianischen Busbahnhof und von da über die Lebensader der Stadt nach Mestre auf dem Festland, wo uns mein Bruder auf ein Hotel mit angegliedertem, und himmelhoch überdachtem Yachthafen aufmerksam gemacht hat. Da es gerade nicht geregnet hat, kam der Vorteil nicht zur Geltung. Segler waren keine unter’s Dach geschlüpft.

Wir tätigten einen Festlandseinkauf in einem Super-Supermarkt und fuhren bepackt wieder zurück. Nach ausgedehnten Hafenrundfahrten, wieder mit dem Vaporetto, kamen wir spät zu unserem Schiff.

Heute, am Mittwoch die Waschmaschine auf dem Marinagelände genutzt, dann mit dem Vaporetto nach Burano und Punta Sabbioni, wobei Letzteres  nicht so aufregend schien.

Burano war pittoreskund gut besucht, so daß man zur Rückfahrt lange anstehen mußte. Erstaunlich, was in so ein Vaporetto notfalls alles reingeht, wenn man einmal außer Acht läßt, was man schon alles von überfüllten Fähren gehört und gelesen hat.

Die Besichtigung der Mosaike auf Torcello mußten wir leider streichen, dafür besuchten wir den nautischen Bücherladen,Mare di Carta, www.maredicarta.com, in der Nähe vom Bahnhof, auf den Moni im Marinemuseeum aufmerksam geworden ist. Die gesuchte Lagunenseekarte haben wir nur kurz zu sehen bekommen, weil das Probeexemplar noch nicht verkauft werden durfte.

Wir hatten eine nette Unterhaltung mit der Besitzerin des Ladens,Christina Giussani, die selbst Seglerin ist mit Boot im gleichen Hafen, in dem wir liegen.

Wir bekamen die Empfehlung für eine Lagunen-Karten-App, mit der wir brauchbare Informationen bekamen. Zwei Kinderbücher über Venedig in Deutsch haben wir erstanden.

Wir sprachen noch die Probleme Venedigs an, und Christina hielt von der geplanten, milliardenteuren Eindeichung der Lagune gar nichts, genau wie ein angesehener Professor, der ein umfangreiches Werk, leider nur in italienisch, über die Lagune geschrieben hat, und wegen seiner vielfach nicht respektierten Meinung aus Protest die meisten seiner Ämter aufgab..Er meint, daß Venedig seiner Tradition treu bleibt, und auf dem Holzweg wandelt.

Politisch gebt es große Uneinigkeit, wie es mit Venedig weitergehen soll. Mit Großprojekten zur Industrieansiedlung hat man bereits schlechte Erfahrung gemacht, da sie den Grundwasserspiegel abgesenkt haben, wodurch ganz Venedig um einige Zentimeter abgesackt ist. Viele Erd- bzw. Wassergeschosse haben Poolcharakter bekommen und sind unbewohnbar.  Es gibt auch kaum einen, der imposant hohen Kirchtürme, der senkrecht steht. Der auf Burano schießt den Vogel ab. Auf dem Festland dagegen beweisen die Italiener, durchaus lotrecht bauen zu können.

Bezüglich der regelmäßig kommenden Hochwasser, oder Aqua alta, wie man hier sagt, haben sich die Venezianer einen ähnlichen Fatalismus zugelegt, wie wir ihn bei den Hallig-bewohnern in Nordfriesland erleben konnten.

Tische in verschiedenster Ausführung lösen das Problem, man läuft drüber oder stapelt alles, was nicht naß werden soll, darauf.

Einen umgekehrten Weg geht der Künstler Damien Hirst, dessen gigantische Ausstellung wir in zwei Palästen am Canale Grande besichtigten. Dieser Künstler schafft fantasievolle Kunst-werke mit einem Mix aus altem Kulturgut und seiner eigenen Inspiration. Das Ganze transzendiert er in einen fiktiven Schiffs- oder Weltuntergang dieser Objekte und überzieht diese mit künstlichem Meeresbewuchs, nach Art eines Korallenriffs. So ausgestattet, wurden seine Objekte in tropischen Meeren versenkt, arrangiert, mit Tauchern und Fischen umgeben und kunstvoll fotographiert. Dann wurde alles wieder geborgen, und dem erstaunten Publikum präsentiert.

           

Ein abschließendes Highlight unseres Venedig-Besuches.

Als unser Vaporetto-Wochenticket abgelaufen war, entflohen wir auch der nicht ganz billigen Marina, um an der Insel St.Erasmo, ein riesiger Obst- und Gemüsegarten noch einmal die Nacht in einsamer Ruhe zu verbringen. Wir lagen direkt vor dem wahrscheinlich einzigen Supermarkt der Insel und nach dem Einkauf riet uns der Besitzer aus seiner Kenntnis der lokalen Tide, zu einem anderen Liegeplatz, wo man mehr Wasser untern Kiel hat. Dies ist wichtig, wenn bei Niedrigwasser nachts Vaporettos und Taxis vorbeifahren und einem mit ihrer Wasserverdrängung Selbiges absaugen, und einen damit unsanft auf Grund setzen. Wir machten mit dem Heck an einem Ausleger fest und hielten uns mit dem Anker von diesem und vom 2 Meter entfernten Kai fern. Dummerweise kam gerade in unserer Tiefschlafphase eine nicht angesagte, heftige  Bora,

der unser Anker im schlickigen Grund nicht stand hielt. Steile, kurze Wellen drückten uns gegen die Pier, und Wolkenbrüche prasselten auf das Schiff bei eisiger Kälte. Die sicherheitshalber zahlreich ausgebrachten Fender konnten wegen der vor dem Kai stehenden Dalben das Schiff nur unzureichend abfendern. Also hieß es raus aus den Federn, rein in die Klamotten, Anker auf, den man einfach durch den Schlick pflügen konnte und mit Volldampf in eine letzte gespannte Leine, um das Schiff gegen den Sturm vom Ufer weg zu bekommen. Dann ging es im Stockdunkeln, nur zeitweise von heftigsten Blitzen beleuchtet durch die gewundenen Lagunenwege, gegen den Sturm. Irgendwann bin ich bei einer Abzweigung nicht vor, sondern hinter dem Dalben abgebogen, und das war’s. Wir saßen auf Schiet, zum Glück kurz vor Niedrigwasser. Die Maschine brachte uns nicht wieder herunter, auch weil unser Faltpropeller rückwärts grottenschlecht zieht. Also zur Sicherheit eine Leine zum Dalben ausgebracht, was eigentlich nicht erlaubt, und die Nachtruhe fortgesetzt. Um das Hochwasser auf keinen Fall zu verpassen und weil wir einen langen Törn vor uns hatten, zog ich gegen 06.00 Uhr das Schiff mit der Maschine ins Tiefe und wir schipperten der aufgehenden Sonne entgegen zum Ausgang der Lagune, wo uns riesige Kreuzfahrtschiffe begegneten. In einem großen Schlag, lange unter Segeln nur am Schluß mit Maschine segelten wir nach Grado, wo wir im Stadthafen festmachten. Daß wir die ausgelegten Mooringleinen benutzten, mußten wir mit 50€ Liegegeld büßen.

Also ging es am nächsten Tag, bevor der Kassierer kam, zu unserem geliebten Aquilea. Hier wurde an Bord alles wieder instand gesetzt, was uns aufgefallen war an Mängeln am Schiff.

Nachdem mir mein Freund Olli Berichte von seinen absolvierten Radrennen geschickt hatte, bekam ich Komplexe wegen meine sportlichen Abstinenzen. Also setzte ich mich auf’s Klapprad, angeblich für eine kurze Besorgung, und radelte zum 8 Kilometer entfernten Lidl, um eine Nähmaschine aus dem Angebot für 79€ zu erwerben, die Moni partout nicht haben wollte.  Ich dagegen hoffe, mit maßgeschneiderten Fliegengittern den Ärger mit den insektiziden Plagegeistern minimieren zu können.