Valentia

Mit Code 0-Wind ging es zurück nach Valencia, wo man uns freudig begrüßte, aber fast auf der gleichen ausgedehnten Anmeldeprozedur bestand, wie beim ersten Mal. Gepflegte Bürokratie muss sein. Wir erhaschten den ziemlich letzten Platz im Hafen auf der abgelegenen Südseite, aber bei Anruf über UKW kam prompt ein Schlauchboot mit kostenlosem Taxiservice.

Zurück in der quirligen Stadt Valencia, die sich zu Recht Stadt der Künste und Wissenschaften nennt

hat uns mit ihren vielen Attraktionen, ihrer Modernität und ihrer großartigen Architektur beeindruckt. Man kann nicht sagen: die spinnen, die Spanier.

 

In Ermangelung eines geeigneten Fahrzeugs, legten wir weite Wege mit dem Klapprad

auf vorbildlichen Fahrradwegen zurück, bis die Knie streikten. Wir nutzten die Infrastruktur, um weiter an unserem Boot zu feilen, und warteten hier auf ein Paket aus Deutschland und einen maßgeschneiderten Alukasten für die Klimaanlage.

Das Paket wurde während einer wilden Odyssee beschädigt und dann einfach…  return to sender,  wieder nach Bremen zurückgeschickt. Beim Blechkasten stimmten die Maße nicht und ich musste mit Bordmitteln nacharbeiten.

Als ich versuchte, mit Filpp-flopps eine kleine Hafenmauer zu erklimmen, floppte dieses Manöver und ich stürzte ab,

lernte aber gleichzeitig unsere überaus netten und interessanten Stegnachbarn Ines und Norbert und später ihre Tochter Lilli (https://lilli-zeifert.jimdosite.com) kennen, und freundeten uns mit ihnen an. Sie haben ein echtes Blauwasser Schiff aus Aluminium, nicht wie folgender Sportsfreund, der meinte, durch Überbügeln mit Nirosta aus seinem Flitzer eine Blauwasseryacht zu generieren.

Dank ihres jugendlicheren Alters haben Norbert und Iris noch größeres vor. Lilli ist perinatal mit einer schweren Behinderung gehandikapt, die sie bewundernswert mit Hilfe ihrer Eltern, sowie einem eisernem, eigenem Willen meistert, und sie verfolgt zielstrebig dank einem genialen Denkvermögen ihren nicht leichten Weg zu einer höchstwahrscheinlich großen Karriere.

Mit viel Vergnügen besuchten wir gemeinsam das gigantische Ozeaneum

und sahen viele Tiere, denen man in freier Natur nicht unbedingt begegnen möchte.

Bei der Flippershow, die in Kanada nicht mehr erlaubt ist, konnte man diese Tiere, die wir sonst als Weggefährten im Meer kennen, als Gefangene bestaunen oder bemitleiden.

Als nächstes besuchten wir das Wissenschaftsmuseum, wo Lilly, die demnächst Astrophysik studieren möchte, ins Schwärmen geriet, anlässlich der Astronautik-Ausstellung. In einem Gang musste jemand seine DNA verloren haben.

Gerne hätten wir noch das monströse Opernhaus von innen besichtigt,

doch es war nicht möglich, also alternativ zur Erbauung der Weiblichkeit, den Rest des Tages mit Shoppen verbracht.

Die letzte Nacht in Valencia wollte man uns mit einem Hardrock Konzert in unmittelbarer Hörweite vom Liegeplatz versüßen, was wir dann doch als eher zweifelhaftes Vergnügen ansahen. Bei den Soundchecks brachten sie ganz angenehme Musik, aber als es Ernst wurde, war Schluss mit lustig.

Die ehemalige Eisenbahnklappbrücke, die aufwendig zur Drehbrücke modifiziert worden ist, um drei oder vier Formel1 Rennen  nach Valencia zu holen, wurde einmalig im Zeitlupentempo für das Konzert geschlossen und der innere Hafen damit zugesperrt.

Für uns war nach unruhiger Nacht um 06.00 Auslaufen Richtung Denia angesagt, und unsere Weltumsegler-Freunde wollte nach Ibiza. Da sie den Wind allerdings von vorne hatten, teilten sie die lange Strecke und folgten uns nach Denia. Wir nahmen die Gelegenheit wahr, das dortige, oft sturmumtoste Cup San Antonio bei guten Winden zu runden und verabschiedeten uns per Funk von den Dreien.

Wir landeten vor der Edel Marina Moraia, wo die Liegeplätze durch ins Mauerwerk eingelassene, bemalte Kacheln bezeichnet sind. Mit einem Beiboot darf man in diesen Hafen nicht einfach reinfahren, man muss per Funk um Genehmigung bitten, die normaler Weise nur zwischen 14 und 16 Uhr gewährt wird. Längeres Liegen als zwei Stunden bedeutet, man muss für einen ganzen Tag bezahlen. Die Hafenbetreiber haben mitbekommen, dass die Entwicklung im Yachtbau zu immer breiteren Schiffen tendiert und man berechnet nicht mehr die Schiffslänge, sondern die Breite. Bei über 4.00 Meter gibt es einen Quantensprung von €53 auf €96 plus Wasser und Strom, macht deutlich über Hundert, da wir 6 Zentimeter zu sehr in die Breite gehen.

Beim Checken des Ankers durch Tauchen, stellte ich fest, daß man wahrscheinlich nach Fertigstellung der Marina die ursprünglich in der Bucht vorhandenen Mooringbojen gekappt hat, um die Yachties in den Hafen zu zwingen. Ich habe die verbliebenen Bodenanker in gut sechs Meter Tiefe schnorchelnd angetaucht, eine Leine durch die Kette gezogen und das Schiff daran sicher befestigt. Mit der zusätzlich liegenden Ankerkette, habe ich versucht, den ankommenden Wellen das Heck entgegen zu richten. Es funktionierte ganz gut.

Sollte man beim Ankeraufgehen Büschel aus den Seegraswiesen rupfen, wie hier, kann es sein, daß man gehörig Ärger mit der umweltschützenden Obrigkeit bekommt.

 

 

 

 

 

Auch jemand anderes schaut ständig zu, was man macht.

 

Nur als wir weitersegeln wollten, stellten wir fest, daß das Schiff sich nächtens mehrfach gedreht haben musste, und einen gordischen Knoten am Meeresgrund geknüpft hat, auf dem zu allem Übel, bei frischem Wind, noch ein gewaltiger Zug stand. Also mußte wieder vielfach getaucht werden, um sämtliche Knoten zu lösen, und das Tauwerk zu retten.

Mit Rauschefahrt ging es um einen spektakulären Felsen herum,

und nachdem diverse Ressourcen an Bord zur Neige gingen, in den Hafen von Calpe.

Wir erkundeten zu Fuß die Region und landeten, statt wie vorgehabt in einer Eisdiele, in einer Pizzeria.. Als wir nach Genuss zweier schmackhafter Pizzas bezahlt haben, kam statt des erwarteten Wechselgeldes eine Armada von Kakerlaken, die ungeniert unserer Anwesenheit die auf die Straße hinausgebaute, terassenartige Holzkonstruktion vereinnahmten. Zusammen mit anderen Gästen sprangen wir spontan auf und gingen auf Abstand, immer die einschlägigen Horrorstorries von unseren Weltumseglerfreunden von ihren

Erlebnissen auf den Kanaren in den Ohren. Zum Glück verlief der Heimweg ohne Cucaratscha-Begleitung.

Der Morgen danach mußte generalstabsmäßig durchgeplant werden, um das Pflichtpogramm: Supermarkt, Waschmaschine, Telefonate, Wasser bunkern, Hafenbüro und Ablege Vorbereitungen in der Zeit zu absolvieren, die uns belassen wurde, ohne für einen neuen Tag zu kassieren. Und sie haben sage und schreibe Deadline 12.00 Mittag, weil sie sich als eine Art Wasserhotel empfinden, ohne Betten, Zimmerservice, Frühstück, Fernsehen, Lounge etc., aber mit vier-Sterne Preisen.

Gnädigster Weise gab man uns auch wegen unseres Großeinkaufes im Supermarkt zwei Stunden dazu, die wir bis auf zwei Minuten ausnutzten. Mit vorgeheißten Dessous ringsherum auf der Reling verließen wir total yacht-unüblich den Hafen, um direkt vor der Einfahrt den Anker zu versenken.

Wie wir die hier endemischen Gefahren und Plagen mit Nagern, Fruchtfliegen und Kakerlaken von unserem Schiff fernhalten ist immer wieder Gesprächsthema.

Zusätzlich gelesen, dass in Alicante, einem unserer nächsten Ziele, isländische Touristen von einem sonst nur in den Tropen vorkommenden Virus befallen wurden.

Angesichts der einen in Spanien fortlaufend verfolgenden Silhouette von an der Küste aufgereihten Hochhäusern und Wolkenkratzern kommt immer wieder die Frage nach Sinn und Unsinn dieser Art der „Border-line“-Bebauung auf.

Moni sagt: in solch ein scheußliches Haus kriegen mich keine zehn Pferde rein.

Meine Antwort: das hat schon mancher gesagt, und fand sich dann im falschen Flieger wieder.

Ich sollte einst von nächster, kinderloser Verwandtschaft eine Bienenwabe in solch einem, beschriebenem Klotzen in der vordersten Reihe erben. Dann haben sich herumschleichende Mitmenschen um die Erbtante, die Vergangenheitsbewältigung mit der Einnahme von Benzodiazepin betrieb, mehr gekümmert, als die bucklige Verwandtschaft, und somit muss ich mir die Gegend hier nun vom Wasser aus betrachten. Soviel zu des Geschickes Mächten.

Während sich in Goethes Faust der Mephisto über seinen mangelnden Pathos lustig macht, war dieser bei meinen Vorfahren, die zwangsweise in einer Blut und Boden Philosophie aufgewachsen und geprägt worden sind, reichlich vorhanden und wurde in schwülstigen Reden ausgiebig auf Familienfeiern aus-gelebt, wobei mafiaähnliche Familien-Clan-Blutsbanden eindrücklich beschworen wurden.

Später kam die 68iger Bewegung und die Erkenntnis, daß eine Rede nun einmal keine Schreibe ist, und: wer schreibt, der bleibt. Ergo, schreibe ich.