Siphnos

Wir sahen erwartungsvoll unserem Sundowner im Cockpit entgegen, als eine 38‘ Bavaria mit flatternder, halb weggerollter Fock in den Hafen einlief und allerseits Aufmerksamkeit erregte.

Am Heck wehte die griechische Flagge, unter der Backbordsaling ein kleiner Adenauer.

Die aus einem Ehepaar, mittleren Alters, bestehende Crew sah sich mehr hilfe- denn Liegeplatz-suchend im Hafen um und cruisten in einer Weise durch diesen, als wollte sie virtuelle Vanillekringel

Kreieren.

Aus langjähriger zahnärztlicher Berufserfahrung konnte ich aus dem Vibrato der Mundregion des

Skippers eine Ferndiagnose stellen.

Da auch in mich eine wachsende Besorgnis um die Unversehrtheit unseres- sowie der Nachbarschiffe

erfaßte, rief ich dem  Neuankömmling mit richtiger Nationalitätseinschätzung auf deutsch den Rat zu, vor weiteren Annäherungsversuchen erst einmal das Vorsegel komplett einzurollen.

Er folgte dem Rat, dennoch ließ sich bei den folgenden Anlegeversuchen nur durch diverse Rückzugs-Manöver des letzten Augenblicks der Schadenfreiheitsrabatt aufrecht erhalten.

Das ausbleibende Nachlassen des abendlichen Meltemi-windes, sowie jeder weitere Manövermißerfolg entnervten den Skipper zusehens.

Zusammen mit dem Hafenmeister stand ich dann an einem Stück Pier mit mehreren freien Liege-

Plätzen, um bei Annäherung des landsmännischen Seemanns die Leinen anzunehmen.

In Anbetracht der relativen Ausweglosigkeit der Situation, empfahl ich dem Skipperkollegen, komplett entgegen aller Korrektness mediterraner Schifffartsdogmen ortsunüblich an der Pier längsseits anzulegen, was dann erstaunlich gut gelang.

Augenblicklich erhielt ich, pflichtschuldigst, einen ordentlichen Rüffel vom  nebenstehenden

Hafenmeister, nach dem Motto: ‚was soll das dann‘.

Dann setzte er nach, daß das Ganze nur Sinn machen würde, wenn ich an Bord ginge und das geforderte Manöver selber fahren würde.

Der erleichterte Skipper akzeptierte mein Angebot für subsidiare Lotsendienste und wir stachen wieder in‘s Hafenwasser.

Das Ansteuern des geeigneten Punktes für das Einleiten des Anlegers nutzte der Charterskipper zu

Vorträgen über das grenzenlos unmögliche Manövrierverhalten seiner Bavaria.

Ich unterbrach ihn mit der Frage, ob der Propeller rechts- oder linksherum dreht. Erstaunlicherweise

wußte er das,  und es stimmte. Im Weiteren, glaube ich, daß ich den Kollegen davon überzeugen konnte, daß sein Schiff doch gar nicht so schlecht zu manövrieren ist.

Er  war nur etwas schmallippig geworden.

Lauter vernehmbar war dagegen der Applaus der erleichterten Seglerschaft aus der Umgebung und der des Hafenmeisters.

Allerdings wirkte der reichlich übertrieben und ähnelte dem, den man regelmäßig

erlebt, wenn der Pilot eines Charterfliegers die Rollbahn wieder einmal getroffen hat.