Pula und danach

Auf der Suche nach einer Bucht zum Ankern für die Nacht fanden wir eine mit schon einigen Booten drin. Eines ging gerade Anker auf und wir nahmen sogleich den angewärmten Platz ein.

Zu unserer Verwunderung verließ peu à peu ein Boot nach dem anderen die Bucht, bis wir alleine waren, nur die vom Ufer rüber gesandte Beschallung ließ keine Einsamkeit aufkommen. Mit Ausnahme dieser verbrachten wir eine ruhige Nacht, um nach dem Frühstück mit frischem, achterlichen Wind eine Rauschefahrt nach Norden anzutreten. So etwas unterbricht man nur ungern, da man es doch nicht allzu oft in der Adria erlebt, und wir ließen Porec rechts liegen, um dann bis nach Novigrad durch zu rutschen, wo wir im Vorhafen an einer freien Boje festmachten. Sie war mit einem Gewichtslimit beschriftet, und zwar 10 Tonnen. Beim Gewicht gilt der alte Satz: wie der Herr, so’s Geschärr, sprich Boot. In den Papieren steht 11,5, die Wirklichkeit ist dagegen ernüchternd und läßt uns nicht zu den schnellsten Seglern zählen.

Dummerweise wurde im Wetterbericht ein Sturm gegen Abend angekündigt. Erst kam etwas Wetterleuchten in der Ferne und dann der Hafenmeister mit seinem Angelkahn. Er schickte ohne zu kassieren alle Boote an für den Sturm sicherere Bojen und uns in die erst vor kurzem fertiggestellte Edelmarina, wegen unseres Übergewichtes. In dieser kam uns auch gleich ein Schlauchboot entgegen, um uns zu eröffnen, daß der Hafen voll sei. Wir taten entrüstet, weil der Kollege uns doch gerade reingeschickt hat. Nach einigem Zögern, meinte der Angestellte, einen letzten Platz gebe es noch. Fuhr voraus und half beim Festmachen. Ich wunderte mich, daß die so genannte Mooringleine,

die an einem Betonklotz auf dem Boden des Hafenbeckens befestigt ist und das Schiff von der Mole wegzieht, sich nicht richtig spannen ließ. Aber das Wetterleuchten verzog sich und Windstille stellte sich ein. Das Barometer schien eingefroren. Also wollten wir uns den schönen alten Ort ansehen, da wir doch schon Porec ausgelassen haben. Nach einem längeren Spaziergang, wurde es in der Stadt ziemlich schnell rabenschwarz und schüttete wie aus Eimern, bei mäßigen Winden. Wir suchten Schutz in einer Pizzeria mit stabiler Makise und machten aus der Not eine Beköstigungstugend.

Als alles erledigt war ging es zurück zum Schiff, wo aber eine Eisentür unseren Weg versperrte. Wir

suchten nach dem Wachdienst und erfuhren den Trick: man mußte ganz unten vorsichtig ziehen, um die Tür zu öffnen. Da hat es mir eingeleuchtet, es heißt ja auch schließlich die Tür, und nicht der Tür.

Müde fiel ich an Bord in meine Koje, nur Moni legte noch ihre gewöhnliche Sonderschicht in der Naßzelle ein, als uns ziemlich der Schlag traf. Plötzlich blitzte es Stakato, als wären Angelina Jolie und Brad Pitt gerade zur Verleihung des goldenen Löwen angekommen. Mächtige Windstöße ließen unsere 12-13 Tonnen schwere Behausung bedenklich pendeln, als hätte ein übernatürlicher Leo ihm heftigste Prankenhiebe versetzt. Bei den ersten heftigsten Böen mußte man ernsthaft Bedenken haben, vom Schiff runter geweht zu werden, wollte man nach dem Rechten sehen. Als wir aber merkten, daß die Mooringleinen nicht wirklich das Schiff hielten, warf ich unseren

Motor an, um gegen den Sturm gegenan zu dampfen. Daß uns die kalte  Bora direkt von vorne erwischte, war ebenso ein Nachteil, wie der Umstand, daß unser Liegeplatz eigentlich für eine viel größere Megayacht, wie unsere beiden Nachbarn, gedacht war. Die Megayacht, auf die wir gedrückt wurden, hatte schöne Mega-fender, aber die hingen leider, wie oft die Weintrauben, für unsere Deckshöhe zu hoch. Nach circa 3 Stunden war der Spuk, der von Experten mit 120 Knoten  Speed, also gut 200 km/h gemessen wurde, beendet, und außer unseren Nerven hatte zum Glück nichts Schaden genommen.

Etwas Wind hatte die Bora noch übrig gelassen, mit dem wir nach Slowenien segelten, um dort von günstigeren Dieselpreisen zu profitieren. Weil diese so günstig waren, hat der Tankwart es sehr gut gemeint, und über die Tankentlüftung auch die Badeplattform beölt. Man weiß ja nie, wofür oder wogegen so etwas gut sein kann, schließlich ölt man sich ja auch vor dem Sonnenbad ein.

Nun mußten wir nur noch die Triester Bucht und ein Verkehrstrennungsgebiet queren, um dann den Hafen von Primero anzulaufen, wo unser Freund Reinhart auf uns wartete. Alles wirkte merkwürdig vertraut: Flachland an der Küste mit einer Vegetation, fast wie zu Hause. Ein moderater Tiedenhub und eine sich durch seichte Flachwassergebiete wie Watten ziehende, bezeichnete Fahrrinne, in der ein Tiedenstrom das Brackwasser pulsieren ließ. Als wir dann das Land zu sehen bekamen, sprach fast alles deutsch und die Beschilderung war oft auch in deutsch.

Der Hafenmeister war auch ein Deutscher und bei  allem behilflich. Sofort nach dem Anlegen nahm er einem allerhand Papiere ab und erklärte auf Befragen ohne einen Anflug von Gesichtsröte, daß die

Nacht im Hafen 120 € koste. Meine Einwendungen wurden mit der Bemerkung abgetan, daß auch Animation inclusive sei. Ich sagte, bei dem Preis doch sicher Striptease und eine weitergehende Flatrate, aber er verneinte. Am nächsten Tag räumte er kleinlaut einen Irrtum ein, und eröffnete strahlend, daß er irrtümlich den Preis für zwei Nächte, für die er uns eingeplant hatte, für einen ausgegeben hat und er erst seit gestern nicht nur Schiffe festmacht sondern auch fakturiert.

Als Sahnehäubchen gab es sogar noch für meine Mitgliedschaft in der Kreuzerabteilung vom Deutschen Seglerverband einen Rabatt von 20% auf alles, der Wahnsinn.

Doch man bekommt im Leben selten etwas geschengt. Ist kein Druckfehler, denn Kroatien, wo wir mit unserem Freund Reinhart und einem potentiellen Mitarbeiter von ihm noch einmal hinsegeln mußten, ist nicht Mitglied im Schengenabkommen. Dies bedeutet bürokratisches Spießroutenlaufen für jeden, der über diese besondere, nasse EU-Innengrenze rüber machen will.

Die italienischen Grenzbeamten würden mit ihrem Outfit jede Modenschau bereichern, sind aber mit

den Machwerken ihrer kroatischen, und etwas lässiger gestylten Kollegen nicht wirklich einverstanden. Diese wiederum liefern nicht ausreichend Schriftliches, um den bürokratischen Parkinsonismus der  Spagettis zu befriedigen.

Nach einem Tag im Stadthafen von Grado, zwei Meter von einer viel befahrenen Straße entfernt, festgemacht, hatten wir nicht nur unsere Wäsche, sondern auch die Papiere sauber.

Beim Auslaufen in Richtung Umag/Kroatien mußten wir wieder das Verkehrstrennungsgebiet queren.

Ein weit entfernter Supertanker rief mich auf Seefunk an, als hätte er mein Problem gerochen. Mir war nämlich justement aus der Kupplung zwischen Motor und Propellerwelle ein Bolzen rausgeflogen, weil dieser wahrscheinlich nicht mit der vorgeschriebenen geklebten Schraubensicherung versehen war. Dies produziert ein häßliches Geräusch und die Gefahr, daß die anderen 5 Schrauben auch noch rausfliegen und nichts mehr geht. Ich erklärte dem Supertankerkapitän in Ansätzen  mein Problem, und was ich tun könne, damit ich ihn nicht versenke.

Dieser versprach freundlichst, das Seinige zu tun, um eine Kollision zu verhindern und fuhr einen ordentlichen Bogen. Bin fast größenwahnsinnig geworden, vor so viel Hochschätzung und habe mich tausendmal bedankt, immer bedacht, die Professionalität der marinierten Linguistik zu wahren.

In Umag angekommen, hielt uns ein Hafenaufseher gleich seine Kasse unter die Nase, als wir uns  nur der Hafenmole näherten. Wir haben die Maschine auf Rückwärts gestellt, sind an eine Boje mitten im Hafen gegangen und haben nichts bezahlt. Der dann nötige Einsatz des Schlauchbootes kann unter sportlich amüsant abgebucht werden. Nach Erledigung des Jobs in Umag, segelten wir mit Blister nach Novigrad, wo wir diesmal die Außenmole beehrten und einem italienischen Segler mit Problemen an der Maschine Ersatzteile lieferten. Nachts gab es diesmal statt Böen von der Bora Bässe aus den Boxen, den es war Strassenfest in der ganzen Stadt. Moni hatte nur Augen für eine jämmerlich zitternde Kreatur von hundlicher Promenadenmischung. Sie diagnostizierte: der hat Angst vor den Dezibel. Ich entgegnete: Quatsch, der rockt mit, auf seine Weise.

Der Wind am nächsten Tag hatte mal wieder nicht die Power der Bands in der Nacht. Das ging auf die Zeit und später auf die Stickoxyde vom Diesel.

Die abendliche Einfahrt nach Marano war noch norddeutschlicher als Primero. Am Außensteg fand sich neben einer größeren Motoryacht noch ein freier Platz. Im Stadtzentrum aßen wir typisch italienisch um dann bei der Rückkehr zum Yachthafen festzustellen, daß uns die Motoryacht bedenklich auf die Pelle gerückt war, aber knappe drei Meter vom Steg entfernt im Fluß lag.

Es war  noch Licht im Vorschiff, und nicht wissend, daß es sich um Landsleute handelt, forderte ich sie auf englisch auf, heraus zu kommen, und sich das Desaster anzusehen. Das Licht im Schiff wechselte ständig von an und aus und erst nachdem ich meine Aufforderung mehrfach wiederholt hatte, kam der Skipper hervor und entschuldigte sich mit Nichtwissen. Es stellte sich heraus, das man diese pseudonautischen Ungetüme, die aufgeblasenen schwimmenden Autoscootern ähneln, für eine hübsche Summer chartern kann, ohne jemals auf dem Wasser gewesen zu sein, ohne jedwede Befähigung, bzw. Schein, ohne einen Knoten zu beherrschen, respektive Basiswissen der Seemanschaft. Man braucht nur Kohle abzudrücken und das Weitere übenimmt eine Versicherung mit kräftiger Selbstbeteiligung. Außerdem ist der Panzerkreuzer relativ unkaputtbar. Ob das auch für seine Kollisionsgegner, von denen unser Nachbar schon einen am Tag zuvor hatte, auch sind, ist fraglich. Das zur Seereise mitgelieferte Handbuch umfaßt 5 Seiten und beschreibt besonders die Komfort- und Wellness-aggregate und die Musikberieselung. Bei der Einweisung war in 15 Minuten alles gesagt, weil man sich auf Wesentliches beschränkt hat, und nicht die Drehrichtung des Propellers, oder wie lange der Bowthruster, bzw. Sternthruster betätigt werden können, bis die Wicklung durchbrennt. Ganz klever hat man dem jungen Charterpärchen geraten, das Schiff wegen des Tidenhubes nicht so eng anzubinden. Daß man dann aber Springs braucht, bzw. das bei Schwimmstegen keine Rolle spielt, dafür aber verschärft in Schleusen, hat man alles der Skipper-

Erfahrungssuche und Experimentierfreude anvertraut. Das rudimentäre Pfadfindergewissen ließ mich den beiden noch einen kleinen Crashkurs zukommen zu lassen und unser Boot auf einen geschützten Liegeplatz zu verholen, nachdem ich vernommen hatte, daß von der besagten Kategorie von Crash-dummy-booten eine ganze Flotte unterwegs ist.

Ein abendliches Gewitter ließ die Erde ganz schön erzittern aber zum Glück unsere Elektronik in Ruhe. Moni und ich haben uns gegenseitig zum Ritter geschlagen, wenn der jeweils andere eine stattliche Anzahl von hier endemischen Mücken erschlagen hat.