Optovac

Die stets wiederkehrende Notwendigkeit der Wäschewaschens hielt uns in der Marina Zadar länger als gewollt, dann hatten wir aber ein Rendezvous mit Olli und seinen zwei Familien, die sich in Trogir einen Katamaran gechartert hatten. Gegenseitiges Finden in diesem Insellabyrinth ist in Zeiten von Whatsapp ein Kinderspiel, welches neuerdings sogar ich beherrsche.
Nach intensivem Zusammensein trennten sich dann auch wieder die Wege, wegen unterschiedlicher Zielprojektion. Wir nutzten den langsam aufkommenden Wind, nach Osten, Richtung Festland zu segeln. Segelboote wurden Mangelware, kleinere, trailerbare Motorboote und die sich zur Seuche entwickelnden Jetski’s, bestimmten das Bild.
Der von uns anvisierte Velevitkanal ist für Charterskipper Tabu, weil die gefürchtete Bora hier ganz übel wüten kann. Dafür gibt es hier einzigartige Naturphänomene, die man nicht auslassen möchte.
Gewagte Brückenkonstruktionen überspannen tiefe Taleinschnitte und lassen wegen der lichten Höhe den Skipper ganz cool, wenn er seinen Mast drunter durchschiebt. Wenn man dagegen die vielen freiliegenden Armiereisen an den Pfeileren genauer betrachtet, die jetzt eiligst überpinselt werden, sollten schon Bedenken beim passieren drüber oder drunter, und erst recht beim Springen von der Brücke aufkommen.
Unverständlicher Weise sagt der Herr Beständig, der uns in seinem Buch beständig und ziemlich ausschließlich durch die ganze Adria lotst, nichts von der Einzigartigkeit dieser Landschaft, so daß Moni schon meinte, wir sollten diesen langweiligen Fluß auslassen. Dabei entpuppt sich dieser „Langweiler“ als eine gut befahrbare Miniaturausgabe des Grand Canyon, wo der fantasievolle Karl May an beiden Canyons, also hüben wie drüben seine Räuber und Gendarm- sowie Indianergeschichten hat stattfinden lassen. Liegemöglichkeiten gab es nur am Ende des Flusses in Optovac, wo eine niedrige Straßenbrücke die Weiterfahrt versperrt. Erst einmal waren alle brauchbaren Plätze belegt, und wir
legten uns an das Ende der Uferpromenade, quer in den Fluß und hängten unsere Ankerkette der durchgehenden Schifffahrt, und unsere Heckleinen den Spaziergängern quer in den Weg, da wir uns an Laternen und Geländer festmachen mussten. Interessant war es schon, wenn die Damenwelt über unsere Leinen, beinschwingend, kletterten.
Irgendwann wurde ein Logenplatz direkt an der Brücke frei, der den Vorteil eines gegenüber liegenden Einlasses mit ungeklärten Abwassern hat. Beim ersten Platz kam das gesammelte Klärwasser unregelmäßig mit einem lauten Schwall aus dem Einlass und führte zur Schrecksekunden.
Der andere Einlass ist leise und lockt wegen seiner mit Nährstoffen angereicherten Fracht reichlich Fische an, die wiederum zwei Delfine anlocken, die hier heimisch sind. Denen geht es hier so gut, dass sie sich bereitwillig von der badenden Dorfjugend anfassen und streicheln lassen. Dieses Spiel in fragwürdiger Umgebung kann Stunden dauern.
Die städtische Umgebung ist komplett anders als bisher Gesehenes, da dies keine Touristenhochburg ist. Des Weiteren haben wir uns erklären lassen, daß in dieser Stadt früher Kroaten und Serben zu ziemlich gleichen Teilen einträchtig zusammenlebten, bis Leute auf die Idee kamen, man müsse die Gesamtbevölkerung aufhetzen und aufeinander schiessen lassen. Die ersten Umwälzungsideen resultierten aus der Deutschen Wiedervereinigung, nur, daß man wegen der vielen verschiedenen Ethnien hier eine vielfach blutige Spaltung draus gemacht hat.
Optovac hat es besonders getroffen und es hat sich noch lange nicht davon erholt. Wir waren zufällig am Jahrestag des Sieges der Kroaten über die Serben hier und wurden Zeuge fragwürdiger Gedenkveranstaltungen.
Bei Besuch des nahe gelegenen Nationalparks Velevit kamen wir der Vergangenheit weiter auf die Spur. Wir buchten eine Jeep-Safari und fuhren von einem Guide gelenkt in die Berge. Dieser kannte sich aus, da er als Angehöriger einer Geheimpolizei am Krieg teilnahm und mit eben demselben Steyr-Puch Jeep Patroullie fuhr. Als er bemerkte, daß er in einen serbischen Hinterhalt geraten war, hechtete er aus dem Wagen direkt in die Büsche, kurz bevor eine Panzerfaust den Wagen zerlegte.
Unser Fahrer konnte nach dem Krieg sich des Autowracks bemächtigen und dieses mit Hilfe eines fachkundigen Onkels wieder zum Leben erwecken und damit ein Tourismusunternehmen aufmachen. Die Robustheit und Geländegängigkeit dieses und eines anderen von olivgrün auf Silber umgespritzten Wagens wurden angesichts der sehr rauen Wegeverhältnisse eindrucksvoll demonstriert. Die Straße, die der mit Sissi verheiratete Kaiser Franz-Josef 1840 durch die Berge bauen ließ, hatte es schon in sich, obwohl diese Straße bei potentiell bis zu 300 km/h starker Bora den Verkehr von den gesperrten Landstrassen und Autobahnen aufnehmen muß, als einzige passierbare Verbindung. Essentiell ist hier eine kräftige Mauer oben auf dem Paß, die verhindert, daß Gefährte vom Wind den Berg runter gepustet werden.
Auf dem Weg in die Berge kommt man nicht nur an spektakulären Orten vorbei, wo 1960 für die Freunde der Karl May Literatur leinwandträchtig viel Schwarzpulver verschossen wurde, und Moni’s Jugendtraum Pierre Brice, dem sie hier noch einmal huldigen konnte, vor monströser Kulisse kräftig auf die Tränendrüsen gedrückt hat.(Bild:Kulisse)
30 Jahre später wurde an gleicher Stelle wieder der Abzugshahn gedrückt, und Landsleute haben sich gegenseitig den Heldentod beigebracht. Unser Fahrer hat an einem Paß 52 Kamereaden verloren, auch einen 24jährigen General, denen er am heutigen Jubiläumstag Kerzen angezündet hat.
Sonst hat er sich reihenweise im Nationalpark Zigaretten angezündet, die er aber sorgfältig ausgedrückt hat, ohne Waldbrandgefahr. Von wilden Tieren hat er Einiges erzählt, aber von den 87 Spezies, die weltweit ausschließlich in dieser Region vorkommen sollen, haben wir keine Einzige bewußt gesehen, doch dafür fehlte auch die Zeit. Genug Gelegenheit gab es, den reichlich aufkommenden Durst mit köstlichen Getränken zu löschen. Auch ein sehr schmackhaftes Picknick wurde unter einem Schatten spendendem großen Baum gereicht, unter anderem mit einem Käse, der im letzten Jahr als weltbester prämiert worden ist.
Die Speicherchips unserer Digitalkameras wurden reichlich gefüllt, angesichts der Fülle von Motiven.
Am Ende ging es noch zum Baden am Wasserfall.
Nachdem wir gemeinsam die wüstenartige Bergwelt der Umgebung inspiziert haben, entließ mich meine Moni allein heute in die Wasserwelt, da sie richtig ahnte, daß diese nicht nach ihrem Geschmack war.
Erst wird ein Autokorso mit Touristen flußaufwärts gelotst, um in dem nicht schiffbaren Oberlauf Spezialkonstruktionen von Paddelbooten zu besteigen und ca. 10 km flußabwärts zu fahren. Ich fand eine Mitfahrgelegenheit und mußte mir am Start einen Partner für’s Boot suchen. Bei geringer Auswahl fand ich einen Bullen von Kerl, der starke Paddelarme zu haben schien und ungebunden war. Er nickte freundlich, als ich ihn fragte. Die erste Enttäuschung zeigte sich, als dieser Pole null Fremdsprachen drauf hatte und der Meinung war, ich müßte doch polnisch können, wenn ich ihn schon anspräche. Aber man weiß ja: noch ist Polen nicht verloren. Das sah nur anders aus, als wir versuchten, in See zu stechen. Mit ungebändigter Kraft hackte der Pole sein Paddel in das Wasser, als wollte er gleich einmal eine Eskimorolle probieren.
Als dies nicht gelang, folgten ohne Pietät und Takt weitere Paddelattacken und ich lernte sehr schnell, warum die Travel-Agency uns Helme verordnet hat für die Fahrt. Mein polnischer Hintermann, ich wollte wegen meiner Gopro vorne sitzen, fuchtelte nicht nur im Wasser wild mit dem Paddel herum, sondern auch in der Luft, als wolle er dieses auch als Luftschraube einsetzen, oder aber die zahlreich anwesenden Libellen und Schmetterlinge verjagen. Letztendlich erhielt ich diverse Male einen mit dem Kunststoffblatt über den Helm gezogen, vielleicht als Denkanstoß, aber im Wissen, wo es herkam, wirkte es auf keinen Fall verletzend. Bei den ersten drei Mal bekam der Pole es hin, „sorry“ zu sagen, dann wurde es für ihn langweilig.
Daß aus dem Einsatz seiner gewaltigen Kräfte nicht der Vortrieb resultierte, den er sich erwünscht hat, sondern nur walzerartige Bewegungen auf dem nassen Parkett, brachte ihn schier zur Raserei.
Meine Versuche, diese Kräfte zu bändigen, eventuell sogar aus dem Einsatz beider Paddel eine konzertierte Aktion zu machen, scheiterten vollends. Da ich Polen im Allgemeinen als musikalische einschätze, forderte ich Piano, oder für den Gleichtakt: Solidarnosch,… keine Chance. Dann forderte ich energisch abwechselndes Paddeln. Es funktionierte auch nicht, da diese Plattbodenschiffe so wenig Richtungsstabilität haben, daß man als Nichtpaddler absolut still sitzen muß, damit der Andere die Richtung halten kann. Dies gelang dem Polen nicht. Zum Glück konnte ich nach halber Strecke meinen Polen gegen einen Anderen Tauschen, mit dem es wesentlich besser lief. Wir waren dann auch nicht ganz so überladen und kamen bei dem sommerlich niedrigen Wasserstand besser über die Steine und auch die kleinen Wasserfälle hinunter. Hierbei zeigten die Boote eine hohe Stabilität und Gutmütigkeit.
Brutal war, daß das Unternehmen uns ohne Pause über die Strecke gejagt hat, weil sie noch einmal eine Gruppe durchschleusen wollten. Am Ende waren alle platt und hatten riesigen Durst.
Dieses Anlegebier war mit Abstand das Beste der ganzen bisherigen Reise.
Wieder zurück auf dem Boot, kam ein netter Kroate vorbei, der in Südtirol lebt und uns hier am Boot schon einige Male besucht hat. Ich ging mit ihm im Fluß schwimmen und wir diskutierten fleißig. Erstaunlich war die Fließrichtung des Flusses, sowie die Geschwindigkeit. Dazu passend war auch der Salzgehalt sicher infolge des Vollmondes angestiegen.
Ärgerlicher ist dagegen das Ansteigen des Insektengehaltes in der Luft an jedem Abend. In der Frage der wirkungsvollsten Abwehrstrategie gibt es bei uns noch Uneinigkeit.
Einiger waren wir dagegen, als wir mitten in der Nacht von einer heftigen Bora überrascht wurden, die gewaltig am ganzen Schiff rüttelte. Unglücklicherweise schafft diese Naturgewalt es spielend den Wasserstand kurzfristig über einen Meter abzusenken. Nun kam die Genialität kroatischer Hafenbauer wirksam zum Tragen, die eine das Wasser überragende Flaniermeile ersonnen haben, unter deren Lauffläche angelegte Schiffe runter gedrückt werden. Also so ziemlich der schlechteste Port den man sich für seinen Dampfer vorstellen kann. Es muß jemand dem Architekten verklickern, daß für ein Auto ein Car-port eine gute Sache ist, man dieses aber nicht uneingeschränkt für Schiffe behaupten kann. Erst einmal ist eine Relingstütze am Boot krumm.
Morgen geht es weiter, weg von Optovac, was einerseits doch sehr schade ist. Wir haben hier nette Menschen kennen gelernt und ein anderes Phänomen. Der Kunar ist die Kroatische Währung. Und dieser Kunar ist sehr flüchtig. Man merkt das daran: wenn man bei leichtem Wind Euroscheine und Kunarscheine nebeneinander auf einen Tisch legt, fliegen die Kunars als Erstes weg. Nur in Optovac sind die Kunars nicht ganz so flüchtig.