Gythio

Nach flotter Überfahrt über den lakonischen Golf kommen wir nach Gythio – im Hafenhandbuch steht niedlich, aber fährt keiner hin. Trotzdem gibt es Liegeplatzprobleme. Ideal erscheinende Plätze sind reserviert und dürfen von uns nicht benutzt werden.

Ein Mann in legerer Uniform, später stellt sich heraus: Coastguard, winkt uns in eine Lücke rein, die aber, wie sich bald zeigt, dermaßen mit Spinnweben-artig verspannten unter-Wasser-Leinen verseucht ist, daß es Entfesselungskünste bedarf, um aus der Verstrickung wieder freizukommen.

Als nächstes fiel den Beamten ein, daß Ihnen und der Stadt die EU für schlappe 22,5 Millionen € eine völlig nutzlose Kreuzfahrt-Pier zugeschanzt hat, und dorthin sollten wir aufkreuzen.

Die Coastguard brauste mit dem Dienstwagen voraus, um beim Anlegen zu helfen, da wir wahrscheinlich die ersten waren, die einen solchen Versuch wagten. Fender, Poller etc. alles 50fach überdimensioniert für unsere Verhältnisse. Und dann die Abstände….das Längsseits liegen wurde wieder verworfen, wegen großer Bedenken bei aufkommendem Wind. Chiva ging ankern in der ruhigen Bucht hinter der Halbinsel, wo einst Paris und Helena nach ihrer gemeinsamen Flucht erst-malig zu einer  etwas ambivalenten Ruhe gekommen sein sollen.

Da wir auch ein wenig Land und Leute sehen wollten, brachten wir den Anker aus und suchten uns rückwärtig Halt an einem Riesenpoller und einer Sprossenleiter, mit dem grummeligen Gedanken,

was tun, wenn die Queen Mary um die Ecke kommt, und anlegen will. Aber realistisch war das nicht.  Das von riesigen Laternen erzeugte gleißende Licht ließ alles während der Nacht in seiner Absurdität erstrahlen. Zwei Bronzestatuen, als Kunst am Verbauten, saßen einsam auf der Mauer und warteten auf Beschauer.

Eine im Schwanzbereich in drei Stücke tranchierte Nixe mit nackten Brüsten, die wie Kirchenkuppeln aussahen, zierte die Mauerkrone.  In Ermangelung weiterer Geschlechtsmerkmale hatte man zwei Meeresmuscheln neben ihr aufgestellt. Ein paar Meter weiter blickte ein Bronzeseemann, dem auf Andros gesehenen sehr ähnlich, nur mit weniger sozialistischem Realismus, in die Ferne, wahrscheinlich  nach einem Kreuzfahrtschiff Ausschau haltend.

Uns besuchten unsere Freunde von der Flex X zur gemeinsamen, weiteren Planung und die Coastguard zur peinlich genauen Überprüfung der Bootsdokumente. Was ich geahnt hatte, kam prompt. Nachdem man uns eine knappe Stunde am Schlafengehen gehindert hatte, wurde ich aufgefordert, früh morgens auf die Wache zu kommen, um ein Dokument auszufüllen.

Weshalb ich zu dieser Sonderbehandlung auserkoren wurde, war mir nicht klar, nur, daß es nicht machbar war, den in ganz Griechenland extrem wichtigen Vorgang des Fotokopierens sämtlicher Papiere, deren man habhaft werden kann, vom Streifenwagen aus durchzuführen, erklärte die Notwendigkeit mich auf’s Amt zu zitieren,  wo alles fleißig nachgeholt wurde. Da ich nun auf einem für Megatonnnen-große Dickschiffe geschaffenen Platz parkte, mußte ich ein entsprechendes Dokument ausfüllen,  und preisgeben, wieviel Brutto- bzw. Nettotonnen-verdrängung wir bei welcher Mannschaftsstärke und Passagierpersonenzahl zu vermelden hätten. Wo das Schiff und unter welcher Baunummer gebaut worden ist. Reiseroute, welche Patente ich hätte und wo und wann diese ausgestellt worden sind. Das Alles  und Vieles mehr beliebte man von mir zu wissen.

Zum Bezahlen der Hafengebühren schickte man mich ungeniert einen Kilometer weiter in eine andere Behörde, wobei die erste sich große Sorgen machte, wie sie denn an eine Kopie der Quitttung meiner Einzahlung käme, ohne mich noch mehr zu chikanieren.

Dieser erneute Behördengang glich dem Besuch eines staat(t)lichen Gestüts, in dem ausschließlich Amtsschimmel gehalten wurden, aber mit mehr Schimmel, als in jedem französischen Roquefort-Käse.

Die überall in’s Auge springende Verunstaltung eines einst wunderschönen klassizistischen Gebäudes mit aufwändiger Mamorvertäfelung allseits und musealer Ausstattung mit echten, antiken Kunstschätzen durch verpfuschte nachträgliche Anbringung haustechnischer Infrastruktur, trieb einem fast die Tränen in die Augen. Gipfel des Ganzen war eine in der für mich zuständigen Amtsstube angebrachte Raumteiler-Leichtbauwand, die einfachst mit reichlich überquellendem Bauschaum-Uretan an die Klassik-wände gekleistert worden ist.

Daß in dieser Atmosphäre bei den unterbeschäftigten, aber zigfach überbesetzen Beamten nur eine gereizte und gefrustete Stimmung aufkommen konnte, war leicht einzusehen.

Natürlich überträgt sich ein Teil der Stimmung  auch auf den Besucher. Höchst erfreut und mit mir zufrieden, war ich, als ich erfahren habe, welch identische Erfahrungen und Reaktionen sich gleichfalls beim Segelkollegen einstellten.

Daß man ausgerechnet für diesen Hafen bezahlen mußte, mal abgesehen davon, was die EU schon alles bezahlt hat, war schon verwunderlich, aber das Erbe von Aristoteles‘scher Rechenkunst verspottend, rechnete der Amtsinhaber, mit griechischem Zeitverständnis und -verbrauch, für die Toscadeau 21 € und für die etwas kürzere Flex X 13 €  bei gleicher Liegezeit an Gebühren aus, was einen schon verdrießlich stimmte.

Man fragte sich, warum der fiese Trojaner, der gerade weltweit wichtigste Rechner lahmgelegt hat, nicht auch in griechischen Amtsstuben eventuell zu einem gewissen Nutzen eingedrungen ist.

Wahrscheinlich waren aber diese Rechner so alt, daß sie unverwundbar waren, oder es ist die Erfahrung der Griechen mit Trojanern zur Immunität verholfen hat,  gerade an diesem Ort, wo die schon erwähnten Paris und Helena einst durch ihr Techtelmächtel den gleichnamigen Krieg ausgelöst haben, den die Griechen dann mit List(!!?) für sich entschieden haben.

Immerhin konnten wir unsere Liegezeit für eine Rundreise über die Halbinsel Mani mit einem Leihwagen nutzen, und dabei wunderschöne Landschaften, Buchten, alte Dörfer und eine Weltsensation  zu Gesicht bekommen,  wovon man nur schwärmen kann.

Hierbei handelt es sich um die Höhlen von Dragi. Am felsigen Ufer einer Bucht, ca 10 Meter über dem  Mittelmeer endet die Straße mit einem Parkplatz. Da außerhalb der Saison, bekommt man noch einen. Mit einem gelösten Ticket geht man durch einen Tunnel und bekommt in einer  Erweiterung mit deutlich erhöhter Luftfeuchtigkeit eine Schwimmweste gereicht. Wie im Flugzeug wird das korrekte Anlegen der Gurte kontrolliert, und es geht weiter an den Rand eines unterirdischen See’s,

auf dem, aufgereiht flache, kippelige Besucherkähne schwimmen. Ein Untertage-Gondoliere weißt strikt nach einem empirisch erforschten Trimmplan den Besuchern ihre Plätze zu, mit der Aufforderung, wie zur Salzsäule erstarrt, dort sitzen zu bleiben. So beladen setzt der Gondoliere den schmalen Flachgänger mit einem kurzen Stechpaddel in ruckartige  Bewegung. Der Begriff Stechpaddel hat hier einmal seine volle Berechtigung, da der Kahnkapitän mit größter Geschicklichkeit sein Antriebsholz in das ringsherum umgebende Gestein sticht, ohne die allseits unzählich vorhandenen, wertvollen Stalaktiten und Stalakmiten zu beschädigen und dabei das Unter-Boden-boot durch engste Gassen und Tunnel kurvenreich manövriert. Häufig müssen die höher gewachsenen Insassen den Kopf einziehen, um von den Stalaktiten nicht die Haare gekämmt zu bekommen.

Nach 1,2 km endet die Bootsfahrt und ein kaum weniger beeindruckender Wanderweg von 300 Metern endet wieder im Tageslicht.

Man hat schon viele Höhlen gesehen, aber diese toppt  Alles und gehört  zur absoluten Weltspitze.

Interessant waren außerdem die über die gesamte Halbinsel verstreuten kubistischen Wehrtürme, die von der äußerst kriegerischen Feindseligkeit der hier wohnenden Familienklans zeugen.

Sie verleihen der Landschaft einen mystischen Eindruck.

Da wir voraussichtlich wetter- und landschaftsbedingt erst einmal eine Weile keinen Hafen mehr anlaufen werden, mußten vor dem Auslaufen einige Vorbereitungen getroffen werden.

Unter Anderem konnten wir auch das von unserer Freundin Beate empfohlene und unweit von hier geschöpfte, köstliche Meersalz erwerben.

Daß einem ständig wild lebende Straßenhunde und –Katzen allerorts um die Beine schleichen, wahrscheinlich in der Hoffnung adoptiert zu werden, kennt man zur Genüge. Als mir aber eine ausgewachsene Heuschrecke beim Spaziergang in die Handinnenfläche flog, um sich in den reichlich vorhandenen Hautfalten festzukrallen, hat mich das schon schockiert.

Das ständige Bemühen, unser ökologisches Herz und Gewissen rein zu halten läßt uns unsere Abfälle immer bis zur nächsten erreichbaren Müllbox spazierenfahren und damit für das Schiff eine fragwürdige Fruchtbarkeit in Form zahlreicher mitfahrender Fluchtfliegen generieren.

Nicht genug, daß der leicht abgenutzte Glaskörper im Auge eines in die Jahre gekommenem Seemannes Seestörungen vom Typ sogenannter „mouches volantes“ verursacht, zu Deutsch fliegender Fliegen, jetzt fliegen auch noch reichlich, nicht virtuelle, Vertreter dieser Spezies einem um Augen und Ohren.

Die allen Bootsfahrern angeborene Bastelleidenschaft werde ich versuchen für mich dahin gehend zu lenken, daß ich unseren Ankerkettenkasten zu einem gleichzeitigen Fliegenschrank umfunktioniere.