Karystos (Euböa)

Ein Charakteristikum des Mittelmeers ist, daß Wettervorhersagen schwierig zu erstellen sind, und damit ungenau. Lokale geographische Besonderheiten bestimmen vordringlich Windstärke und  -richtung unabhängig von den Vorhersagen.

So erlebten wir Beispielhaftes, als wir an der Leeküste, östlich von Andros, nordwärts segelten (Bild Leeküste Andros) und mit

3-4 Windstärken laut Vorhersage gerechnet hatten, gute 6 mit heftigen Böen, nach denen wir natürlich unsere Besegelung ausrichten mußten. Also 3! Reffs in’s Groß  und immer schön unter Land. An der Nordspitze vermutete ich hinterm Kapp, weil ohne Landschutz, eine heftige See und war nicht wenig überrascht, als nichts von dem eintrat. Im Gegenteil es kamen die angesagten 3-4 Windsrärken und eine kaum wahrnehmbare Welle. Also eine Spazierfahrt, die es erlaubte, eine schmale Passage zwischen der Südspitze von Euböa und einer vorgelagerten Insel als Abkürzung zu nehmen.

Einer unserer Traditionen folgend, erreichten wir mit letztem Büchsenlicht den ausgestorbenen Hafen von Karistos. Wegen des Überangebotes an Liegeplatz machten wir neben einem offensichtlich auf Langfahrt befindlichen Fanzosen landesuntypisch längsseits an der Pier fest.

Freundlich wurden wir vom Bordhund des Franzosen begrüßt und ich nahm, trotz des Protestes meiner Bordfrau seine Einladung zum Kräftemessen an. Als Moni einsah, daß der Hund im Wesentlichen friedliche Absichten hegte, ermahnte sie mich nur noch: „du mußt französisch mit ihm reden“!

Auf der verzweifelten Suche nach Internet im Restaurant gelandet.

Wieder das Problem mit der griechischen Speisekarte.

Auf meinen Wunsch hin, eine Alternative zum allgegenwärtigen, griechische Salat zu wählen, empfahl mir der offensichtlich den Männern zugeneigte Ober einen Salat XXY, mit diesen kleinen,

leckeren roten Früchten. Ich freute mich auf scharfe Radieschen, bekam aber warme, weich- und durchgekochte rote Beete mit undefinierbaren Fasern dazwischen. Geschmacklich grenzwertig,

aber lieber mir den Hals verrenkend, entdeckte ich einen großen Vorteil: ich konnte nämlich eindeutig die Schnelligkeit meiner Verdauung überprüfen und feststellen,

daß auch ein Sailor-Wellen-Knecht

etwas Rotgefärbtes der Welt beisteuern kann.

 

Beim Stadtrundgang fesselten zwei Beobachtungen maximal meine Aufmerksamkeit:  Eine als Denkmal auf einem Platz abgestellte, alte, aber extrem gut erhaltene, englische, Dampfwalze,

sowie  zwei Ehepaare, die diese Dampfwalze genauestens untersuchten, wobei die Frauen sogar ein größeres technisches Interesse zu besitzen schienen, und geschickt auf dem Stahlkoloss rumkletterten. Dieser Sache mußte ich auf den Grund gehen. Bei der Rechersche fand ich heraus, daß es sich um Deutsche handelte, die sich in der Nähe häuslich eingerichtet hatten und deren Interesse etwas weniger dem Wunder der Technik galt, siondern einem darin versteckten Geocaching. Dankbar nahm ich das Angebot zu einem Crash-kurs in dieser Sportart an und lernte zusätzlich noch Einiges über Land und Leute.

Zurück an Bord wahrschaute uns der sehr freundliche Franzose, daß uns die Coastguard einen Besuch abstatten wollte, um uns mitzuteilen, daß wir wegen eines bevorstehenden Angelwettbewerbs unserem Liegeplatz räumen müssten. Vorboten von diesem lokalen Großereignis hatten wir auch schon wahrgenommen und wir sicherten uns einen neuen Platz, von dem aus wir alles bestens beobachten konnten.

Nachdem einiger Theaterdonner die Gemeinde einstimmte, erschien eine Handvoll Geistlichkeit, die offensichtlich das Terrain weihend für’s Ereignis vorbereitete.. Die Gladiatoren kamen mit Pickup’s, SUV’s oder Jeeps und bauten kleine Containerburgen auf, aus denen zahlreiche Ruten bedrohlich das Ganze nach allen Seiten absicherten. Auf ein Fanfarensignal hin, warf jeder Krieger reichlich Teigware mit Geheimrezept zum Anfüttern, sowie eine Angelschnur mit Köder zum Gewinnen ins Wasser.

Dann kam die erstklassige Lehrstunde in Sachen Geduld, wo gerade ich deutliche Defizite habe.

Man saß stundenlang, und es tat sich nichts.

Ein wahrscheinlich selbst ernannter Hafenmeister, der uns mit Strom und Wasser versorgte auf zwielichtigen Kanälen, der angelte außer Konkurrenz mit einfachstem Geschirr im Dunstkreise unserer Außenbordshinterlassenschaften gegen den Wettbewerb gegenan, und fing mit Abstand am meisten.

Sein Erfolg erklärt sich entweder aus der Nähe zur Toscadeau, oder daraus, daß er Köder benutzte, die im Wettstreit nicht zugelassen waren.

Nachdem zum Abschluß der Jagd wieder so ein Halali geblasen wurde, konnte nur ein Angler eine etwa handtelle große Beutestrecke vorweisen, was ausgiebig fotographisch dokumentiert wurde. Mit Pauken und Trompeten und heroischen Ansprachen wurde der Sieger,der klammheimlich seine Siegesbeute wieder ihrem Element zuführte,  gefeiert. Dann wurden die Stellungen wieder abgebaut, die requirierten Flächen ihrer alltäglichen Nutzung wieder freigegeben und die Normalität wieder hergestellt.

All das Erlebte erinnerte mich an folgendes Gedicht:

In einer Meierei, da war einmal ein braves Huhn,

das legte, wie die Hühner tun, an jedem Tag ein Ei.

Und gakelte, spektakelte, als wenn’s ein Wunder sei.

Es war ein Teich dabei, in dem ein braver Karpfen saß,

der stillvergnügt sein Futter fraß. Der hörte das Geschrei,

und dachte sich dabei: wenn ich für jedes Ei,

so gakelte, spektakelte, als wenn’s ein Wunder sei,

was gäb‘s für ein Geschrei.