Einwintern

Zur Abrundung unserer Segelsaison 2019 gönnten wir uns noch einmal den Luxus einer First-Class-Marina im Zielort Portimao.

Bernd hatte arrangiert, dass wir nahe seinem Schiff im ruhigeren Teil des Yachthafens einen Liegeplatz bekommen, der normaler Weise nur für Dauerlieger vorgesehen ist. Am gesalzenen Liegegeld konnte auch Bernd nichts machen. Auch Vorwarnungen gab es keine,

dass wir uns gerade die eine Woche im Jahr ausgesucht hatten, in der zwei nahe gelegene Stranddiskos sich einen apokalyptischen Wettbewerb liefern, wessen Monsterboxen den größeren technomusikalischen Super-Ohren-Gau zu produzieren in der Lage sind und dann auch noch das größere mara-tonische Durchhaltevermögen haben.

Dieses tiefenpsychologische Traktieren animalischer Sensitivitäten konnte leider auch nicht durch optische Reize ausgeglichen werden, indem einem dauernd super gerundete Disko-dancing-girls mit minimaler Sexy-Kostümierung über den Weg liefen.

An einem Abend folgten wir dem Rat einer französischen Seglercrew und entflohen dem martialischen Gewummer, verbunden mit ungesunder Stoßwellentherapie und setzten mit einer kleinen Fähre über den Fluss Rio Arade zum kleinen Fischerort Ferragudo,

wo jemand die Zeit angehalten haben musste. In einem kleinen Restaurant direkt an der Hafenpier unter freiem Himmel wurde köstlich frischer Fisch auf dem Holzkohlegrill zubereitet und ein paar Meter weiter verspeist. Unsere Wahl fiel auf Seebarsch und wir wurden nicht enttäuscht, obwohl wir vom Preis in der Speisekarte zunächst richtig geschockt waren. Es stellte sich aber heraus, dass alle Fischpreise in Kilo angegeben waren und da wir von 850 Gramm mehr wie satt geworden sind, hat sich das Ganze relativiert. Die Zeit reichte gerade, um mit der alkoholischen Zugabe des Hauses die letzte 23.00 Uhr-Fähre zu ergattern.

Außer vom Petanque-Spielen, dem französisch-portugiesischen Kugelstoßen für Couchpotatoes, was für uns zu einer Art Institution geworden ist, ließen wir uns durch nichts abhalten, unser Schiff auf den Winter vor zu bereiten und hier und da Kleinigkeiten im Bordleben zu optimieren.

 

Nur für den Start einer Round-the-World-Regatta mit 11 baugleichen Aluminium-Yachten

vor der Mündung des Flusses unterbrachen wir unsere Arbeiten und genossen die Bilder.

Moni konnte sich überhaupt nicht vorstellen eine Koje auf einer dieser Yachten zu buchen und dafür auch noch Geld zu bezahlen, um dann eine Passage wie zum Beispiel die beobachtete nach Uruguay mit zu erdulden. Auch die Urheberschaft für dieses Motivations-training in Person der Segellegende, Sir Robin John Knoxton konnte meine Moni nicht überzeugen, genauso wenig, wie die Tatsache, dass der Nestor selbst über Jahrzehnte den Rekord gehalten hat, als ältester Segler die Welt Einhand und nonstop umsegelt zu haben.

Kürzlich hat die Engländerin, Frau Sokrates, diesen Rekord mit ihren 74 Jahren gebrochen.

Eine Auszeit gönnten wir uns dann doch noch und legten noch vor dem Frühstück mit dem Beiboot ab, um in  Gleitfahrt den Fluss Rio Arade hinauf zu fahren und das Städtchen Silves zu besuchen, von dem uns Bernd vorgeschwärmt hat.

Da man mit der Tide inzwischen schon ein wenig vertraut ist, hielt ich den Zeitpunkt für das Ablegen für ideal. Nun war gerade Vollmond und dementsprechend lief das Ebbwasser extrem weit ab, weshalb wir dann doch zu früh ankamen und gnadenlos, wie weiland die Wikinger bei ihrem Beutezug nach Bremen, im Fluss Matsch versanken. Moni machte den Vorschlag, uns in Geduld zu üben, wo sie aber bei mir an der falschen Adresse war.

Während Moni die Landschaft und die zahlreiche Vogelwelt genoss, vor allem Störche, welch Eldorado für die AfD begann ich Verständnis dafür zu entwickeln, dass die Mauren im 13. Jahrhundert die einstige Hauptstadt Silves gerade wegen der Schlammpartie enthauptet haben und ins verkehrsgünstigere Faro umgezogen sind. Da ich aber nach Silves wollte und mir die Untätigkeit im Flussmatsch überhaupt nicht behagte, wollte ich meinen jahrelang auf der Arbeit getragenen Bootsschuhen einen heroischen Abgang bescheren und gleichzeitig Moni’s lang gehegtem Wunsch entsprechen, und mich langsam von dem Schuhwerk, welches mir so an den Fuß gewachsen war, zu trennen. Zusammen mit meinen geliebten Schuhen verließ ich das Boot um dieses durch den Matsch stapfend, samt verbliebener Besatzung zu treideln. Die Schuhe sollten mich vor den scharfen Kanten der Muscheln und den ihnen anhaftenden fleischfressenden Bakterien schützen. Doch die Schuhe waren nicht einverstanden und rächten sich böse. Seit geraumer Zeit hatten sich die Gummisohlen in der hinteren Hälfte vom Oberschuh gelöst und mutierten diesen zum Schlappen, was ich im Gegensatz zur Admiralin nicht so tragisch fand.

 

 

 

 

Im Matsch-Mello-Marsch verwandelten sich diese hinterfersigen Sohlen zu gierigen Ladeluken, die sich nach dem Prinzip eines Klappenventils mit Matsch munitionierten, um selbigen bei jedem Vorwärtsschritt schwungvoll in meinen Rücken zu katapultieren.

Als wir trotz reichlicher Schwierigkeiten unser Ziel erreicht hatten, schämte Moni sich für den anstehenden Stadtrundgang meiner Begleitung.

Das Paradestück maurischer Baukunst konnte man für kleines Geld besichtigen

   

Einen Miniatur Ableger dagegen für wahrscheinlich kleines Geld käuflich erwerben

 

In Italien muss man staatlich verfügungten Abriss befürchten, wenn unter der eigenen Hütte Reliquien römischer Baukunst aufgedeckt werden. Hier geht man pragmatischer vor und spickt die freigelegte Antike mit Stahlbetonpfeilern, um dann die alte Welt mit neuzeitlicher Hochhausarchitektur zu überbauen.

 Nach Besichtigung der wichtigsten Highlights und dem Verspeisen eines wieder einzigartigen, auf Holzkohle gegrillten Fisches, schlug ich der peinlich berührten Moni getrennte Wege vor: sie zu Lidl, während ich Benzin für die Rückfahrt besorgte, welche bei reichlich Hochwasser absolut unspektakulär verlief.

Zurückgekommen wurden die gröbsten Spuren unserer Matschtour beseitigt. Die Schuhe hatte ich andenkend der Stadt Silves vermacht. In der Marina wurde ausgecheckt und wir liefen sogleich noch aus, um im Fluss zu ankern und am nächsten Morgen zum vereinbarten Zeitpunkt an der Werft zu sein, um das Schiff aus dem Wasser zu hieven.

Die einzigartige Stille am Ankerplatz wurde nur vom Wellenschlag vorbeifahrender Fischer unterbrochen. Morgens hieß es weiter ans Einmotten zu denken. Da lag immer noch unser neues Stand-Up-Paddling in der Dachlücke zwischen Bimini und Solarzellen, nach der Devise:

Zwischen Leber und Milz, passt immer noch ein Pils.

Sonnenschutzmäßig hat es dort gute Dienste geleistet, aber nun musste diese Riesen-Sub-positorium ins Schiffsinnere. Aus Restmaterialien, von denen wir ein Sammelsurium auf unserem Messi-dampfer spazieren fahren, bastelte ich flugs einen Adapter ermöglichte,

der es mir  mit Hilfe des Dyson-Handstaubsaugers aus dem Ein-Mann-Ponton einen ausgemergelten Plattfisch zu zaubern, der im Schiff noch Platz fand.

Pünktlich auf die Sekunde erschienen wir am Travellift, wo man irritiert von so viel Pünktlichkeit uns erst einmal wieder wegschicken wollte. Vielleicht hat man sich uns Neulinge aber auch einfach nur anders vorgestellt.

Durch gutes Zureden konnten wir die Mannschaft davon überzeugen, dass wir die Richtigen waren  

und mit leichten Problemen, die eventuell damit zusammenhingen, dass Bernd uns freundlicher Weise bei der Anmeldung etwas downgesized hat. Am Ende lagen wir hoch und trocken aufgebockt

und können allen Katamaran Seglern, die ihr Gefährt hauptsächlich deshalb erworben haben, weil es ruhiger und aufrechter liegt, berichten, das wir das toppen können, nur eben auf Beton.

Bei unserem Beiboot Ausflug nach Silves haben wir auch die altehrwürdige Markthalle besucht und als last order vor dem Abbau der Stände eine große Tüte getrockneter Feigen erworben, die wir mit Genuss schon während der Rückfahrt verzehrten.

Am nächsten Morgen sah sich Moni die Tüte mit ihrem lebenden Inhalt genauer an, und wollte mir diesen Anblick auf keinen Fall ersparen. Es drehte uns beiden die Mägen um,

immerhin handelte es sich beim Inhalt nicht um „Made in Germany“. Doch was einen nicht tot macht……Etwas später sah ich im Fernsehen einen Bericht von einer Farm in Südspanien,

die Insekten für den menschlichen Verzehr auf Gemüseabfall züchtet. Dagegen sahen unsere

Züchtungen fast schon appetitlich aus.

Früher als Kind hatte man mit Windpocken zu kämpfen, heute dagegen eher mit Seepocken.

Ausgerechnet am umtriebigen Bugstrahlruderpropeller saßen sie besonders hartnäckig

Mein eiserner Zauberbesen war eine Drahtbürste auf der Bohrmaschine, um ein wenig beim Leisten zu bleiben.

Biodiversität ist ja grundsätzlich eine begrüßenswerte Sache, wenn aber unser Schaufelrädchen am Schiffsboden

die durch das Wasser zurückgelegte Geschwindigkeit nicht mehr anzeigt und auch regelmäßige Reinigungstauchgänge mit der Zahnbürste nicht den erhofften Erfolg zeitigen, findet man das doch reichlich öko-ambivalent.

Solange wir uns im Mittelmeer rumtummelten, reichte einem die über Satelliten ermittelte Geschwindigkeit aus, weil es keine nennenswerten Meeresströmungen gab, nur jetzt, wo Golf, Passat, Tiguan und Touareg um die Wette strömen, möchte man es doch gerne etwas genauer wissen und ein Radwechsel muss her.

Obwohl reichlich rechtzeitig gebucht, kam der Abflugtermin doch wesentlich schneller als uns lieb war und mit reichlich Stress und Hektik erreichten wir dank der großartigen Unter-stützung von Peter und Ruth unseren Ryanair-Flieger. Wir sind schon immer gerne mit den Iren geflogen, diesmal aber ganz besonders gerne, da Thomas Cook keine Alternative gewesen wäre. Bei der Sicherheitskontrolle hat man wie so oft mich mal wieder herausge-pickt. Diesmal lag es nicht an den Computern, sondern die Beamten haben sich als Trüffel-schweine betätigt, und Mitten im Koffer ein Mini Glas mit eingelegten Trüffeln entdeckt.

Weil ich  n u r  so ein Miniatur-Trüffel-Terrorist war, durfte ich weitermachen.

In Frankfurt/Main angekommen benahm sich Moni dann auffällig verdächtig, indem sie im Flughafen-Shuttlebus geistes-un-gegenwärtig einfach ihren Bordgepäck Rollenkoffer stehen ließ, nach dem Motto: wenn Paul Kuhn noch einen Koffer in Berlin hat….

Moni’s heftiges Trommeln an der Flughafenscheibe hat zum Glück nicht den Bruchmelder ausgelöst, sondern beim Busfahrer im letzten Moment Aufmerksamkeit erregt, so dass er das verdächtige Teil rausgerückt hat.

Nachdem wir schon so CO2 unkorrekt geflogen waren, wollten wir mit unseren 6 Gepäckstücken mit der Bahn fahren, um das CO2 wieder rein zu holen. Doch die zurzeit hier

endemischen Stürme haben gezeigt, dass die Bahn doch nicht bei jedem Wetter fährt, weshalb wir uns kurzfristig haben abholen lassen. Auch die am Sonntag geplante Bahnfahrt nach Hause gestaltete sich schwierig, so dass wir uns wieder vom lieben Freund Werner zum Flughafen Frankfurt haben bringen lassen, um dort einen Leihwagen zu besteigen, den wir am Montag am Bremer Flughafen wieder losgeworden sind. Die Fahrt war weitgehend ohne besondere Vorkommnisse – fast. Bei Übergabe des Wagens wurde ich gefragt, ob ich Navigation bräuchte. Ich verneinte, da ich die Strecke ja doch kannte. Doch wie lange ist das her, und vom Flughafen aus … nicht wirklich, und dann im Dunkeln…

Also bemühte ich Google Maps auf meinem Handy, welches auch reichlich Mühe damit hatte und ziemlich ins Schwitzen kam.

Moni legte die uns zum Abschied als Wegzehrung überreichten Pralinen auf der schmalen Mittelkonsole ab, direkt beim Handy, also genial daneben. Es passierte schon in Iserlohn, als ich wegen Unterzuckerung nach einem Pralineé lechzte, und Moni blind in eine vom Handy aufgeheizte, nur noch braune Soße griff und wir alle Mühe hatten, damit nicht den gesamten Leihwagen zu versauen, wo doch der braune Terror heute allgegenwärtig ist.

Unseren konnten wir mit nassen Lappen besiegen.

Nun sind sechs Monate Trockenübungen auf dem Lande angesagt

und der Blog pausiert

Im Frühjahr melde ich mich wieder – versprochen!

Schöne Weihnachten!!!! Etc…