Crotone, Leuka, Otranto

Habe ein paar Tage nichts geschrieben und bekomme sicher Ärger mit….ich sage mal hochtrabend meinem Herausgeber.

Manchmal läuft es eben, und manchmal passiert nichts außer der Normalität; und ich will nur schreiben, was mein persönliches OK findet.

Den längeren Aufenthalt in Crotone haben wir zusammen mit angefreundeten Seglern in einem italienischen Restaurant bei Pasta und Vino zum Abschluß gebracht. Es wurde von allen genossen einschließlich des von mir ersonnenen Fußmarsches mit Stadtführungscharakter durch die ältesten und verwinkeltsten Gassen Crotones.

Wir verabschiedeten uns herzlich mit der Gewißheit, uns im nächsten Hafen, auf der anderen Seite vom Golf von Tarent, in St. Maria di Leuka wiederzusehen.

Doch das Seglervolk ist auf Individualismus gestrickt. Es fängt beim Auslaufzeitpunkt an, geht über die Entscheidung der Art des Vortriebs bis zum zu steuernden Kurs.

Von den Hamburgern, die ja gewöhnlich außer im Fußball den Bremern eine Nasenlänge voraus sind, sahen wir höchstwahrscheinlich nur einen Ministrich am Horizont. Die Schweizer konnten wir toppen, was den Auslaufzeitpunkt anging. Draußen verlor jeweils der seine Position im Pulk, der es mit segeln versuchte.

Für die veranschlagten 14 Stunden Segelzeit nahm ich mir vor, unserem Schiff zu neuem Glanz zu verhelfen. Fast nichts ärgert einen Skipper mehr, als wenn das Nachbarschiff glänzender daherkommt, als das Eigene.

Mein Freund Helwig berichtete von Hyperbegüterten, die auf der Suche nach Lustgewinn ihre Luxusliner in eine gemeinsam verabredete Bucht beorderten, mit der Auflage an die Mannschaft alles an Bord auf höchstglanz zu bringen.

Als dann die gesamte Haute Volaute mit Heli’s einflogen, wurde aus der Luft fachmännisch begutachtet, wessen Schiffsdiamant das meiste Feuer in reinster Farbe entfacht.

Der einhellig Auserkorene konnte sich höchster Anerkennung seiner Kollegen versichert sein und durfte diese dafür zum Essen und Trinken einladen.

Etwas bescheidener kaufte ich im örtlichen Yachthandel alles, was die Allchemie in ihren Sudpfannen zur schifffigen Glanzverbesserung zusammengebraut habt.

Kaum standen die Segel ordnungsgemäß auf dem langen Weg nach Leuka, was griechisch „weiß“ bedeutet, da ging ich zielstrebig unserem von Flugrost verunstaltetem Schwan zu Laibe.

Die Sonne lieferte über den Inverter im Schiff den Strom für die Poliermaschine, und sorgte so dafür,

daß am Ende nicht nur der gesamte Dampfer, sondern auch mein Rücken glänzten, da ich ihn im Eifer

des Gefechtes nicht bedeckt und auch nicht eingecremt hatte.

Auffällig war wieder die Unmenge von verklappten Plastikmüll, durch die wir unseren Kurs bahnen mußten. Man müßte Bootsfahrern Prämien ausloben für das Einsammeln von diesem Unrat, doch wie will man das kontrollieren?

Wir fischten immerhin einen knallgelben Kinder-Schwimmring aus den Fluten mit der Aufschrift:

„My baby float“, leider voller Mövenkot.

Die Panik, Feuer an Bord zu haben, flutet seit Jahrtausenden das Adernetz jedes Seemannes mit Adrenalinschüben, wenn es eben brenzlig riecht.

Bei der Annäherung von Leuka machten wir einschlägige Erfahrungen, als wir den Windstrich

einer landseitigen, wahrscheinlich illegalen, brennenden Müllkippe nächtlings durchsegelten.

In Leuka angekommen, sahen wir andere Yachten vor dem Hafen ankern, und legten uns dazu.

Angenehm ist im Mittelmeerraum, daß es nachts im Wesentlichen ruhig zugeht, von Disko’s einmal abgesehen.

Wenn aber ein verbliebener Windhauch genau um 90° versetzt zur Wellendünung weht, bekommt man die Wellen längsseits und wird etwas unsanft in den Schlaf geschaukelt.

Früh morgens wird das Ankerlicht ausgeschaltet, beobachtet, in welches Licht die aufgehende Sonne die Landschaft taucht und es wird verifiziert, ob das in den Reiseführern beschriebene auch in Reality vorhanden ist.

Dabei stellt sich heraus, daß das Schiff, welches eine gute Stunde nach uns im Feld geankert hat, unsere Bekannten aus Basel waren, mit denen wir fast zeitgleich in Crotone abgelegt haben.

Wir gingen wieder gleichzeitig Anker auf, verloren uns kreuzend aus den Augen, und erfuhren einen Tag später in Otranto, als sich unsere Kurse wieder kreuzten, daß sie vor Müdigkeit zurückgesegelt waren.

Otranto war im Mittelalter Ausgangshafen für die Kreuzzüge, woran 1981 Papst Johannes Paul II bei seinem Besuch hier erinnerte, wie auf den Schildern der imposanten Gedenkstätte zu lesen.

Uns wies das gerade ausgelaufene Kreuzfahrtschiff Artemis den Weg in den Hafen.

Der Guardia Costeria stattete ich einen Besuch ab, damit einmal wieder alle Borddokumente behördlich fotokopiert werden konnten. Dabei stellte man mir stolz einen Beamten vor,  der ganz gut deutsch sprach, weil er im früheren Job Eisverkäufer in Hamburg war.

Nun haben wir schon soviele Steinbauten aller Altersklassen auf unserer Tour gesehen, und dachten, daß das Gesehene nicht zu toppen ist. Aber das fantastisch erhaltene Stadtkastell von Otrantomit dem direkt angegliederten Hafen beeindruckt doch gewaltig.

Am Burgeingang liegt ein düster ausschauendes Patrouillenboot auf einem Betonfundament und sieht aus, als käme es direkt aus dem Film:“ Apokalypse now“.

Beim Herantreten sieht man unzählige zackige Teilstücke aus lindgrünen Glasplatten, die Schaschlik artig aufgespießt, ringsherum den Dampfer zieren und das traurige Unter-Wasser-Ende

dieses einstigen Grenzschützers symbolisierten.

Auf Tafeln konnte man lesen, daß dieses albanische Boot nachts mit einem vollbesetzten Flüchtlings-schiff kollidierte und eine menschliche Tragödie resultierte.

In der Türkei haben wir in unserem Radar selbst gesehen, wie Coastguard-Schiffe mit Höchstgeschwindigkeit ohne Beleuchtung und elektronische Erkennung nachts hin und her patrouillierten und eigentlich Ghostguard statt Coastguard, bzw Guardia ghosteria statt Guardia Costeria heißen müßten.

Da Flüchtlingsschiffe naturgemäß schlecht auszumachen sind, sind Kollisionen nahezu vorprogram-miert.

Neben uns im Hafen liegt ein Engländer, der seine in England gebaute Moody 46 in Griechenland erworben hat und eine eigene Art von Kollisionskurs fährt. Er hat nämlich zwar unterhalb, aber immerhin- unter seinem Union Jack die Europaflagge gehisst.

Was wohl Theresa dazu sagt?

Nachdem eine Bus-oder Bahn-Fahrt zum eigentlich sehenswerten Ort Lecce an grottenschlechter Informationspolitik gescheitert ist, radelte ich die Umgebung ab, und fand neben vielen militärischen Anlagen einen ehemaligen Bauxittagebau, der inzwischen abgesoffen, mit seiner Farbenpracht ein erstklassiges Fotomotiv abgibt.

Das abendliche Lichterfest, festa di lucce, haben wir vom Ankerplatz im Hafen genossen, wo unser Glanzstück im Laserlicht erstrahlte.

Der Frühstart, um 06.00 für den langen Schlag nach Brindisi fiel dann leichter.