Agostoli

Spannend war die Frage, ob die in Hamburg bestellte Ersatzantenne für die im Sturm eingebüßte,

tatsächlich ankommen würde, und ob dann alles noch brauchbar wäre.

Wir hörten von unterschiedlichen Erfahrungen und es wurden fast Wetten abgeschlossen.

Als ich in der Sendungsverfolgung nachgelesen habe, die Adresse wäre falsch, befürchtete ich schon

das Schlimmste. Konnte aber im Internet nachlesen, das solche Behauptungen gerne einmal a priori

von den Paketdiensten aufgestellt werden.

Ich kontaktierte UPS, und man war sofort bereit, mir entgegenzukommen, und das Paket nach Agostoli umzuleiten.

Just in time, wie prognostiziert, kam das Paket, nachdem wir unseren Ankerplatz verlassen hatten und an der Stadtpier festgelegt haben, von einem Rollerfahrer mit Doppelfunktion, Pizza und Pakete,

direkt an’s Schiff angeliefert.

Bezogen auf den Inhalt, war das Paket reichlich überdimensioniert. Man hatte mir freundlicher Weise eingeschweißte Nordseeluft in die Fremde mitgeschickt.

Diese konnten wir an Bord nicht gebrauchen und ich wollte damit auch nicht die schon volle Müllbox zublistern.

Also erfreute ich die umstehenden Griechen mit einer Art von Platzkonzert, und ließ stepptanzend unter meinen Füssen  eine Blase nach der Anderen unter platzen.

Durch die fröhliche Knallerei angelockt, gesellte sich eine attraktive Dame zu mir, um mitzutanzen.

Leider hatte ich fast mein gesamtes Pulver schon verschossen, so daß die Dame nicht wirklich durchgeknallt werden konnte und sich enttäuscht von Dannen machte.

Was den Knallkopp angeht, muß ich noch dazu lernen.

Nachdem die Antenne montiert war, verbrachten wir noch eine ruhige Nacht am Kai. Früh morgens pilgerte ich zum Fischmarkt, um für unser nächstes Abenteuer Beschäftigung und Nahrungsergänzung in Form eines Seebarsches zu besorgen.

Es war die blaue Stunde, wo die Fischer in den Hafen kommen, ihre Beute anzulanden und dort sich gleichzeitig die Schildkrötenpopulation der Bucht versammelt, um von dem zu partizipieren, was beim Sortieren des Catch of the day über Bord geht.

Hierbei kann man diese Schwimmpanzer gut beobachten und feststellen, daß es im Wasser wie im Strassenverkehr zugeht, einige fahren mit Nummernschild.

Dann wurde es ernst, ca 170 Seemeilen, nach der Milchmädchen Faustformel (x2-10%), also etwas mehr als 300 km. Vettel schafft das fast in einer Stunde, wir halten uns damit richtig auf, besonders wenn der Wind mal wieder nicht pariert.

Wir wollen in Süditalien eine vor drei  Jahren zurückgelassene Kiste abholen. Moni meint Sarg, aber ich bin doch nicht Django. Moni ist sowieso wenig von der Aktion begeistert, da sie beim Studium ihrer Sefahrtsbelletristik reichlich mit Horrorstories zu diesem Thema versorgt wird und die Frequenz von Notmeldungen à la securité, Pan Pan oder Mayday aus der ständig mitlaufenden Seefunke einem den Glauben an die Leichtigkeit und Sicherheit des Seeverkehrs rauben.

Wir waren runde 50 Seemeilen auf das Ionische Meer rausgesegelt, als ich im Unterbewußtsein aus der quäkenden Funke so oft unseren französischen Schiffsnamen von einem englisch sprechenden, griechischen Küstenfunker rausgehört zu haben glaubte, daß langsam bei mir die Erkenntnis sich durchzusetzen begann, daß der Grieche wirklich uns meint.

Er hatte unser AIS-signal sicherlich aufgefischt und wahscheinlich oben auf dem höchsten Gipfel auf

Kephalonia(1600m hoch) eine Antenne, und da hat er uns einfach, aber mit Nachdruck angemorst.

Das Gespräch gestaltete sich äußerst schwierig, wegen meiner Freizeit Anlage, denke ich.

Wir probierten Einiges aus, bis die massage rüberkam, daß ein Einhandsegler in Seenot sein soll,

und wir möglicherweise als Nächster dran waren. Leider gab es keine wirklich brauchbare Position des Hilferufenden. Wir guckten uns die Augen aus, aber ohne Erfolg. Es ist ein riesiges, wenig be-fahrenes Seegebiet.

Bei einbrechender Dunkelheit ließ der Wind nach, und ich berichtete Olympia radio von meinen Bemühungen, und daß ich nun aber Kurs auf Crotone absetzen müßte.

Man bedankte sich überschwenglich für die von mir gezeigte Kooperationsbereitschaft und wünschte mir eine gute Weiterfahrt.

Wenn ich wieder Internet habe, werde ich den hoffentlich richtig verstandennen Schiffsnamen des Havaristen versuchen zu googeln.

Die größte Schiffahrtsdichte findet sich immer in Landnähe, welches die Routen vorgibt. Bevor wir uns aus dieser Landnähe mit unserem Kurs gelöst hatten, gab es eine enge Begegnung mit einem knapp 100m langen Frachter mit türkischer Flagge,der unbeirrt trotz unseres Segler-Wegerechtes seinen Kurs stur beibehielt. Nun weiß man ja, daß Türken zur Zeit eigenwillige Kurse lieben, und ist gespannt, wieweit sie es wohl auf die Spitze treiben. Also meiner Kurshalterpflicht erst einmal nachgekommen. Bei dieser, für die derzeitige politische Lage erst einmal ungewöhnlichen,  Annäherung klärte Moni, mein Erster das Mißverständnis auf, indem sie mich darauf aufmerksam macht, daß der Frachter eine lange Schleppangel achteraus hinterherschleppt, sich dadurch als Fischerreifahrzeug betrachtet und bei eigenwilliger Auslegung der KollisionsVerhütungsRegeln sich im Wegerecht befindlich betrachten könnte.

Da ich keine Lust hatte, einem Türken mit meiner Toscadeau an den sicherlich äußerst scharfen Haken zu gehen, machte ich eine Wende, und entschärfte die Situation. Ob man Angela solch ein Manöver auch empfehlen kann, übersteigt meine navigatorischen Kenntnisse.